...südafrika... 


za | western cape | kwa zulu natal | tiere | pflanzen

panorama | amphitheater - reisebericht   ...fotos und berichte von meinem sohn: © 2011 - fr...


...panoramafotos... 

nach oben


...das amphitheater...   eine wanderung in den drakensbergen...

Liebe Leser,

neulich also, von letztem Donnerstag (16.06.2011) bis gestern (22.06.2011), habe ich mit D. und R. einen kleinen Urlaub gemacht, der mich in den Royal Natal Park führte: Einen Nationalpark in den nördlichen Drakensbergen, der für seinen landschaftlichen Reiz zum Weltkulturerbe erklärt wurde. Unter anderem gibt es dort das Amphitheater zu besichtigten: Eine 1000 Meter hohe Felswand, die die Grenze zwischen Südafrika und Lesotho bildet. Das Amphitheater herunter donnert in Kaskaden der zweithöchste Wasserfall der Welt: der Tugela-Fall.

Die Planung des Urlaubs sah vor, von Donnerstag bis Samstag im Amphitheatre Backpackers zu wohnen, dann von Samstag auf Sonntag in den Bergen zu kampieren, dann noch eine Nacht im Backpackers zu bleiben und von Montag bis Mittwoch R's Projektplatz in Parys (Free State) zu besichtigen.

Wir waren ein gutes Gespann: R. hat die Statur eines Elite-G.I.s, D. ist ein erfahrener Wanderer und ich bin ein guter Ausdauersportler. Wir gehören also keineswegs zu den Leuten, die eine Wanderung aufgeben, nur weil ein Stein den Weg blockiert. Oder, in diesem Fall, eine 1000 Meter hohe Felswand. Am Donnerstagabend statten wir der Bar im Backpackers einen Besuch ab. Eine legendäre Bar, sage ich euch: Es gibt dort nicht nur alle erdenklichen Getränke zu erschwinglichen Preisen zu kaufen (Bier: 10 Rand), nein, man kann sich mit seinem Drink auch in den hauseigenen Jacuzzi setzen, seine Kräfte an einer Kletterwand austesten oder seine müden Beine in der Sauna auskurieren. Zudem gibt es einen Grillplatz, ein Restaurant, unzählige Self-Catering Küchen, einen Pool zum Schwimmen und einen Pool zum Pool Spielen. Am liebsten wäre ich die ganze Zeit dort geblieben. Glücklicherweise haben wir uns anders entschieden. Am Freitagmorgen sind wir aufgebrochen um den berühmten Tugela-Gorg zu laufen: eine etwa 7,5 Km lange Strecke entlang dem Fluss Tugela, die vor dem Amphitheater endet.

...tugela gorge

Mit meinen Eltern hatte ich im März schon etwa 6 Km dieses Weges bezwungen, bevor wir aufgrund eines Wetterumschwungs umkehren mussten (bei den berüchtigten Drakensberg-Gewittern will niemand unter freiem Himmel sein, das schwöre ich euch). Diesmal hatten wir mehr Glück. Zwar ist im Moment Winter, was bedeutet, dass es in höheren Gefilden und bei Nacht schweinekalt ist, dafür gibt es im Winter keine Gewitter mehr. Der Weg führte über Stock und Stein, doch es gab nur wenige Stellen, die sich nicht im aufrechten Gang bewältigen ließen. Zwischendurch spendeten schattige Waldstücke und kleine Bäche mit kristallklarem, eiskaltem Bergquellwasser willkommene Erfrischungen. Diese Wanderung war keine Hochleistung, aber eine gute Aufwärmübung für das, was am nächsten Tag folgen sollte. Am Ende des Weges standen wir im Flussbett und blickten auf das gewaltige Felsmassiv des Amphitheaters. In der Ferne konnte man den halb gefrorenen Tugela-Fall und eine Schneedecke auf den Bergen sehen. Der Anblick war beeindruckend. D. sagte: „Männer: Morgen um diese Zeit sind wir DORT OBEN!“ Dieser Kommentar war dagegen eher beängstigend.

Wir gingen anschließend noch etwas Proviant (Käse, Fleisch, Brot und viele, viele Schokoriegel) und Bier einkaufen (Nur Clausthaler: Alkohol vor der nächsten Wanderung wäre einfach nur wahnsinnig gewesen).

An diesem Abend gingen wir früh zu Bett. Der einzige Zugang zum Gipfel des Amphitheaters liegt auf der anderen Seite des Nationalparks, etwa zwei Stunden Fahrzeit vom Backpackers entfernt. Daher waren wir am Samstagmorgen schon vor der Sonne auf den Beinen und kochten ein großes Frühstück aus Ei, Zimtbrot und viel Kaffee (man will ja nicht, dass sich in freier Natur auf einmal die Natur meldet, nicht wahr).

Mit unserem gemieteten Kia Picanto (Ungefähr so geländetauglich wie ein Bobbycar) konnten wir über eine sehr holprige Straße bis zu einem bewachten Parkplatz auf 2000 Metern Höhe fahren. Die letzten 1000 Höhenmeter bis zum Gipfel mussten zu Fuß überwunden werden. Wir schulterten unsere Rucksäcke (Ich hatte das Zelt, R. den Proviant und D. die Ausrüstung) und marschierten los. Zu Beginn war der Weg noch betoniert und stieg nur kaum merklich an. Wir sangen ein paar Sau- ähh, Wanderlieder, machten viele Pausen für Fotos und regelmäßige Vespern. Bald schon wurde der Weg schlechter und wir mussten teilweise Hände und Füße benutzen, um vorwärts zu kommen. Doch darüber lachten wir nur.

nach oben

Der Mittag kam, jedoch bewirkte er kaum eine Temperaturänderung, da wir gleichzeitig immer höher und höher stiegen. Im Gegenteil: es wurde eher kälter als wärmer. Noch am Parkplatz hatten wir uns über die kleinen Eiszapfen amüsiert, die an einer Felswand vor sich hinschmolzen. Inzwischen waren die Felswände von Eis umschlossen. Mein erstes „Scheiße!“ rutschte mir heraus, als auch der Weg über einige Meter mit dickem Eis bedeckt war. Als Deutscher bin ich natürlich an Glatteis gewohnt. Aber für gewöhnlich ist in Deutschland direkt neben dem vereisten Weg kein 50 Meter tiefer Steilhang. Glücklicherweise ließ sich diese Stelle umgehen. Aber weitere folgten. Vorsichtig, von Stein zu Stein oder auf allen Vieren passierten wir die eisigen Pfade.

Es waren nicht viele Wanderer unterwegs. Wir trafen nur eine Gruppe von südafrikanischen Gipfelstürmern und eine Gruppe von Deutschen Touristen, die gerade auf dem Rückweg waren und auf dem Gipfel übernachtet hatten. „Ihr habt ganz schön große Rucksäcke. Wollt ihr etwa auch da oben zelten?“, fragte einer aus dieser Gruppe. „Ja, wieso?“ „Dann hoffe ich, dass ihr ein paar warme Sachen dabei habt. Letzte Nacht waren dort Minus fünfzehn Grad Celsius“ Das war mein zweiter „Scheiße!“-Ausruf.

Der dritte kam, als der Weg vor einer Steilwand endete, an der zwei schauklige Kettenleitern von insgesamt 15 oder 20 Metern Länge hingen. D., der alte Feuerwehrmann, ging voraus. R. leidet unter Höhenangst. Er wollte D. folgen, um nicht als letzter alleine unten zu stehen. Noch zögerte er, aber dann stellte er sich seinem Dämon und kletterte, ohne nach unten zu blicken, stur geradeaus. Ich folgte ihm, mit einem etwas mulmigen Gefühl im Bauch angesichts des schweren Rucksacks, der mich nach unten zu ziehen versuchte.

nach oben

...die chain ladders

Nachdem wir die Kettenleitern verließen und über ein paar letzte Steine sprangen, musste ich zunächst meine Augen zukneifen: Die Mittagssonne strahlte eiskalt auf die schneebedeckte Hochebene. Es war so dermaßen hell, dass sich meine Augen nur langsam an diesen atemberaubenden Anblick gewöhnten. Dort fanden wir auch den Gipfelhaufen: Es ist Bergsteigerbrauch, am Ende der Wanderung an einer auffälligen Stelle einen Stein niederzulegen. Andere Wanderer legen weitere Steine dazu, bis, wie auf dem Gipfel des Amphitheaters, ein kolossaler Haufen von Steinen signalisiert, dass man sein Ziel erreicht hat. Auch wir legten unsere Steine dazu, bevor wir uns einen Platz zum Übernachten suchten. Wir hatten noch etwa drei Stunden bis zum Sonnenuntergang und damit bis zum Einbruch der nächtlichen Kälte. Spätestens dann, so hatten wir uns vorgenommen, wollten wir in unseren Schlafsäcken liegen. Es blieb also genügend Zeit um das Zelt aufzubauen, etwas zum Abendessen zu kochen und die Umgebung zu erkunden.

nach oben

Wir waren sehr überrascht, in der Ferne, nahe dem Abgrund hinunter in das Tugela-Tal, ein weiteres Zelt zu finden. Wir näherten uns dem Zelt, da wir dachten, es sei nützlich in der eisigen Nacht in der Nähe anderer Wanderer zu sein, die einem im Notfall helfen konnten. Zwei Männer wohnten dort, die sehr hilfsbereit waren, was einen Platz am Feuer und einige Konserven anging. Sie machten sich schon für die zweite Nacht auf dem Gipfel bereit „Why do you want to stay for two nights?“, fragte ich. „Because we are crazy!“, erwiderte einer mit einem Lachen. Nachdem wir uns Nudeln mit Soße gekocht hatten, teilten die Herren noch eine Zigarre mit uns, was uns angesichts der Kälte sehr willkommen war.

Wir bauten anschließend unser Zelt auf und wollten uns schon hineinlegen, als wir, nur eine halbe Stunde vor Sonnenuntergang, in der Ferne zwei Gestalten mit großen Rucksäcken ausmachten. „Oi, over here!“, rief ich ihnen entgegen. Beim näherkommen bemerkten wir, dass dieser junge Mann und seine Freundin nicht nur kurze Hosen trugen, sondern mit ihren gewöhnlichen Straßenschuhen auch noch knöcheltief im Schnee einsanken. Es stellte sich heraus, dass die beiden eine Autopanne gehabt haben und daher erst so spät ankamen. So schnell es ging halfen wir ihnen, mit vereinten Kräften ihr kleines Zelt aufzubauen, damit auch sie in der Dunkelheit ein Dach über dem Kopf hatten.

Wir waren fast fertig und der Junge wollte uns zum Dank schon eine Tasse Schnaps anbieten, als noch zwei halb erfrorene Wanderer des Weges kamen. „Stuck in a traffic jam“, brummte der eine missmutig. Die Sonne war inzwischen fast weg und nur das letzte Licht schien über den Horizont, als wir auch dieses dritte Zelt schnell hochzogen. Mit 1000 Dank und einer Tasse Schnaps gingen wir, als es schließlich komplett dunkel und verdammt kalt wurde, zu Bett.

Mit Folgendem war ich in dieser Nacht bekleidet: Sneakers, darüber Strümpfe, darüber Wollsocken. Unterhose, Neopren-Jogginghose, Wanderhose. T-Shirt, Pullover, Jacke, Regenjacke. Schal, Handschuhe, Mütze, Kapuze der Regenjacke. Und, später dann, zu guter Letzt Ohrenstöpsel und Augenklappe. Nicht ein Zentimeter Haut lag frei. Den Schal hatte ich bis über die Nase gezogen, die Mütze bis über die Ohren und was dazwischen lag, wurde von der Augenklappe abgedeckt. Es war gerade mal 19 Uhr. Um diese Zeit konnten wir natürlich noch nicht schlafen. Mir kam eine Liedzeile in den Sinn, die zu unserer Situation passte, und so sang ich: „Hier oben weht ein rauer Wind, keiner hört uns, wenn wir traurig sind. Gott, wenn du mich hörst sagt mir, ob es einen Himmel gibt für Bänker. Hier oben weht ein rauer Wind, keiner hört uns, wenn wir traurig sind. Ich verkauf noch dieses Wertpapier, mach den Computer aus und spring aus dem Fenster“ Ich vergas dabei, dass Zeltwände dünn sind und sich um uns herum noch sechs andere Leute befanden. Auf einmal erklang aus dem Nachbarzelt die Südafrikanische Nationalhymne: „Nkosi sikelel‘ iAfrika, Malupakam‘ upondo lwayo, Yiva imitandazo yetu, Usi – Sikele“ Wir sangen eine Weile gemeinsam, was die Kälte aus unseren Gedanken vertrieb, bevor wir endlich ein bisschen schlafen konnten.

Die kältesten Stunden der Nacht sind zwischen 3 und 5 Uhr, also kurz bevor die Sonne aufgeht. Die halbe Nacht hatte ich wach gelegen. Und als ich endlich eingeschlafen war, weckte mich die Natur: Um 3:45 Uhr musste ich dringend zum pinkeln raus. Verdammt nochmal! Ihr könnt es euch vorstellen, oder? Aber die Kälte war gar nicht das größte Problem. Das viel größere Problem war der Wind, der über Nacht die Heringe unseres Zeltes herausgezogen hatte und unter dem die Zeltstangen sich ächzend durchbogen. Schnell schlug ich mit einem Stein die Heringe wieder in den gefrorenen Boden und kuschelte mich wieder in den Schlafsack. Es dauerte eine Weile, bis der Schlafsack wieder meine Körperwärme aufgenommen hatte und in dieser Zeit klapperten mir die Zähne wie bei einem Fieberkrampf.

Diese Nacht war, da bin ich mir ziemlich sicher, die kälteste Nacht meines Lebens. Als ich später noch einmal aufwachte und durch die dünne Zeltwand hindurch sah, dass der Tag anbrach, war ich erleichtert wie noch nie zuvor.

Sobald wir erste Zeichen von der Sonne sahen, sprangen wir sofort ins Freie und liefen nach Osten zur Kante des Amphitheaters. Das Panorama, das sich uns bot, lässt sich nur schwer beschreiben: Direkt vor mir ging es eintausend Meter senkrecht nach unten. Der Tugela, halb gefroren, ergoss sich von Stufe zu Stufe bis in das Tal hinab.

nach oben

Und über den fernen Bergen, die im Vergleich zum Amphitheater nur wie mickrige Erdhügel wirkten, ging strahlend die Sonne auf und tauchte das schneebedeckte Plateau in goldenes Licht. Ich konnte es mir nicht verkneifen, einen lauten Freudenschrei loszulassen, als ich dort an der Klippe stand.

Doch obwohl die Luft sich langsam aufwärmte, blies nach wie vor ein fauchender Wind. Und das bereitete auch A. und D. Sorgen, denn am Vortag hatte es keinen solchen Wind gegeben. Auch zogen bald ein paar buschige, weiße Wolken auf. Der junge Mann, der uns am Abend den Schnaps geschenkt hatte, prognostizierte aus dem Wind und den Wolken einen aufziehenden Blizzard. Das war das vierte „Scheiße!“. In Windeseile gossen wir unseren Kaffee herunter und packten unsere Sachen zusammen. Und dann, was? Abgesehen von der Klippe, sah um uns herum alles gleich aus. In welcher Richtung lag die Kettenleiter? Mit unserer Wanderkarte und meinem Kompass orientierten wir uns schließlich richtig. Aber kaum waren wir an der Kettenleiter angekommen, gab es Entwarnung: Der Wind ließ nach (was ein Segen war, denn mit Wind sind die Kettenleitern nicht unbedingt einfacher hinabzuklettern, als ohne) und auch die Wolken verzogen sich.

Der restliche Abstieg war ein Kinderspiel. Es wurde zunehmend wärmer und bald war die Kälte der Nacht völlig aus unseren Gliedern vertrieben worden. Zwar kamen wir wieder an den vereisten Wegpassagen vorbei, aber auch die konnten uns nun nicht mehr erschrecken.

Gesund und munter, aber erschöpft kamen wir schließlich beim Parkplatz an und machten uns auf Richtung Backpackers.

Dies ist die Geschichte vom, und da bin ich ehrlich, besten Urlaub, den ich in meinem jungen Leben erlebt habe.

zurück zu kwa zulu natal

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


fotografie | reise | musik | empfehlungen | impressum | datenschutz

 

 

Nach oben